Paranoia? (11.04.18)

Beschreibung:

Innerer Monolog, Tagebucheintrag-mäßig. 


 

Ich ging im Dunkeln von einer Geburtstagsfeier nach Hause. Wie gesagt, es war dunkel. Es war nicht so als hätte ich Angst gehabt, die Dunkelheit verunsicherte mich nur. Die Sonne ist halt gleich faul wie wir Menschen, schafft es nicht die ganze Zeit voll anwesend zu sein. Kann man nichts machen. Ich spazierte also eine dunkle Allee entlang. Ja, es war eine Allee, das konnte man auch im Dunkeln mit der einen Straßenlaterne sehen. Die sollte auch mal wieder erneuert werden, so viele tote Insekten, die das Licht behinderten. Brachte auch nicht mehr viel, die gute Laterne.

 

Also ich war kein Angsthase oder so, aber als ich da so entlang ging und die Betrunkenen sich in meinen Weg übergaben, das war schon ekelig. Ich mein, interessierte es mich, ob in ihrem Magen Erdbeer-Wodka Achterbahn fuhr und wieder aus der Höhle wollte, in all seiner roten Pracht? Angewidert beschleunigte ich von 4 auf 7 km/h, was mir meine tolle neue Sport-App anzeigte und wollte nur noch den Bus erwischen, um vor dem Erwachen der Sonne in mein Bett hüpfen zu können. Natürlich war der letzte Bus längst abgefahren und ich konnte mich zwischen einem überteuerten Taxi und einem dreistündigen Spaziergang entscheiden. Bevor ich das tat wollte ich aber mein Bauchknurren besänftigen und kramte nach meinen tausenden 20 Cent-Stücken. In einem Dönerladen gleich neben der Haltestelle bestellte ich „Einmal mit alles“, um nicht nach einem spießigen Dativ-Verwender zu klingen und setzte mich an einen Tisch, neben einer Gruppe erwachsener Besucher. Der Laden war völlig überlaufen und die Menschen schrien angetrunken durch die Gegend. Während ich genüsslich kaute und mir die Sauce vom Mund wischte, die übrigens unfassbar lecker schmeckte, dachte ich mir wie sehr ich Menschen hasste und mir die roten Crocs der Frau am Nebentisch auf die Nerven gingen. In Kombination mit diesem hässlichen Lederrock und der lächerlichen Ed-Hardy Weste, bitte den pinken Lippenstift nicht zu vergessen, war sie eine echte Lachnummer. Ich lenkte meine nach oben zuckenden Mundwinkel mit einem Bissen in meinen Döner ab und überdrehte die Augen, als ich den Socken-In-Sandalen-Mann der Crocs-mit-Lederrock-Frau sah. Auf einmal drehte sich die Frau zu mir um und starrte mich schon leicht böse an. Ich zog beide Augenbrauen hoch. Was sollte das jetzt?

 

Mir passierten solche Situationen öfters. Meine Gedanken, so gehässig sie waren, schienen die betroffenen Menschen förmlich anzuziehen. Bald würde ich paranoid werden. Ich dachte schnell an etwas Banales. „Springende Einhörner, springende Einhörner.“ Leider kam gerade ein oberkörperfreier Mann, der nicht ganz untrainiert war, hinein und mein Einhorn bekam ein Sixpack. Der Mann nahm seine Sonnenbrille ab, ja nur die wahren Helden trugen nachts Sonnenbrillen, und blickte durch den vollen Raum. Seine Augen verharrten in meiner Richtung eine Weile und eine Gänsehaut breitete sich über meinen Körper aus. Ich schlang den Rest des Döners hinunter, schüttelte leicht den Kopf und verschwand schnell wieder aus dem Restaurant.

 

Immer wieder passierten mir solche Dinge. Langsam glaubte ich wirklich, dass meine Gedanken jedem zur Verfügung standen. Aber dann hätte meine Mutter mich nicht immer gefragt, ob ich wüsste wohin ihre Schuhe verschwinden würden.  Tja, wahrscheinlich starrte ich die Menschen, über die ich nachdachte, zu lange, zu intensiv an. Aber meine Vorstellungskraft war einfach sehr stark.

 

Nachdem ich mir ein Taxi gerufen hatte, beschloss ich einen Test mit dem Pärchen an der Bushaltestelle durchzuführen. Ich dachte darüber nach wie süß die beiden zusammen waren, schaute sie aber nicht an und sagte in meinem Kopf:“ Wenn ihr mich hören könnt, tanzt den Macarena.“ Da sie ihre Hüften aber nicht in Schwung brachten, war ich erleichtert und wartete, mit einem Schmunzeln über mich selbst, auf das Taxi. Als es endlich da war stieg ich ein, nannte die Adresse und versank in Gedanken. Der Fahrer redete Gott sei Dank nicht und ich genoss die einschläfernde Fahrt nach Hause. Nach einer Weile holte er sein Handy raus und schrieb eine Nachricht an „Prinzessin“. Wie man unschwer erkennen konnte, hatte er ihr eine Weile nicht geantwortet und sie schickte ihm oft diese bösen roten Smileys. Während er „Sorry Schatz“ schrieb, kam eine Nachricht von „Babe“. Ich grinste und sah ihn von hinten an. Unser Leben beim Autofahren gefährden, um mit seinen ganzen Flammen zu schreiben? Player. Arsch. Und so hübsch war er jetzt auch nicht. Und nett vermutlich auch nicht. Also was fanden diese Mädchen bloß an ihm?

 

„Meinem Vater gehört das Unternehmen. Geld gefällt den Girls“, sagte er trocken in meine Richtung. Ich erschrak.

 

End-Scheidung (24.03.18)

Beschreibung:
Gedankengänge zum Thema "Entscheidung", dienen vielleicht zur eigenen Hilfe. Vielleicht auch nicht. 


 

Entscheidungen zu treffen ist schwer.
Aber beginnen wir von vorne und philosophieren nicht um den heißen Brei:
Das Wort sollte eigentlich nicht Ent – Scheidung, sondern End(e) – Scheidung heißen. Wenn man nämlich eine solche treffen muss, heißt es neue Dinge auszuprobieren und etwas Altes im Schatten der Vergangenheit zu lassen, auch wenn es schön war. Neues kann auch gut sein. Muss es aber nicht.
Sich voreilig zu entscheiden kann ein Fehler sein, man muss gut darüber nachdenken, sich den Kopf zerbrechen.

 

Aber wieso sollte man sich entscheiden? Was bedeutet das Wort überhaupt? Wieso kann so zerstört, aber auch geholfen und verbessert werden?


Zu der zweiten Frage: Eine Entscheidung ist ein Gedankengang, der bei einer bevorstehenden Lebenswendung getroffen werden muss. Egal, ob es die Entscheidung zwischen Obst und Schokolade, oder Geldsparen und Reisen ist. Der Schritt, den man wählt kann nicht ungeschehen gemacht werden. Im Nachhinein ist es nur möglich darüber glücklich zu sein oder die Reue zu spüren, wenn man merkt einen Fehler gemacht zu haben.
Aber wieso macht man mit Entscheidungen überhaupt Fehler? So viele Fragen.


Häufig wird falsch entschieden. Nicht im Sinne von dem Wählen der Entscheidung, die im Endeffekt nicht richtig ist, sondern beim Gedankengang davor. Über größere Fragen muss lange nachgedacht, nicht der Einfachheit halber schnell gehandelt werden. Jede mögliche Situation die eintreten könnte muss überdacht werden und zum Schluss muss man sich für das entscheiden, das man selbst für richtig hält. Keine größere Entscheidung sollte zu Gunsten anderer getroffen werden. Niemand kann für einen in der Zukunft Glück oder Bedauern fühlen. Das kann man nur selbst. Nicht auf andere hören, das ist der Kern einer solchen Situation. Im Nachhinein fühlst nur du den Schmerz, wenn du nicht aus deinen Interessen gehandelt hast, dann ist es zu spät. Zu spät um zurückzukehren und die Entscheidung noch einmal zu treffen. Der Fehler wird dich dein Leben lang begleiten und die Reue ist immer da. Zeit heilt die Wunden hier nur leicht, weil Erinnerungen, die mit Entscheidungen Hand in Hand gehen, bleiben und  sich nicht mit Bepanthen und einem Pflaster heilen lassen. Wir reden hier nicht von einem innerlichen Zwiespalt zwischen Engelchen und Teufelchen die sich drum streiten, ob heute ins Kino oder ins Schwimmbad gegangen wird. In solchen Situationen mal anderen zuliebe auf die eigenen Bedürfnisse zu verzichten ist in Ordnung. Man fühlt sich nicht allzu lange schlecht, kann vergessen und hat das gute Gefühl einem anderen einen guten Tag beschert zu haben. Klarerweise ist hiervon aber nicht die Rede. Lebensentscheidungen müssen früher oder später getroffen werden. Zum eigenen Wohl. Auch wenn andere verletzt werden. Das ist dein Leben, lebe es wie du es willst und hör‘ auf dein Herz. Nicht wie es pocht und deinen Körper mit Blut versorgt, sondern wie es dir mit einem schnellen, aufgeregten Hüpfer sagt, wo dein Weg hingeht. Mach aus einer Entscheidung keine End – Scheidung, die du bereuen könntest. Denk nach. An dich. Und sei glücklich.

 

Gefährliche Schönheit (18.07.17)

Beschreibung:

Historischer Text zum Thema "Grell".

FM4 "Wortlaut"- Wettbewerb

!!Achtung!! --> lange Kurzgeschichte

 


 

Paris 1683.

 

Als die Tore sich öffneten und ich den ersten Fuß auf den perfekt verlegten Boden setzte, rannte mir ein kalter Schauer über den Rücken. Es war pompöser geworden, als ich es jemals für möglich gehalten hätte.

 

Der Duft, der in der Luft lang, roch neu, wie etwas noch nie Dagewesenes. Reiches, gelb-goldenes Licht leuchtete in meine grünen Augen und ließ die ganze Umgebung erstrahlen. Hinter mir bekam ich laute „Oh“ und „Ah“ – Rufe zu hören, doch all diese Barbaren blendete ich aus, denn schließlich war dies mein Meisterwerk, mein Zuhause. Hier würde ich die nächsten Jahrzehnte verbringen, leider mit viel Gefolgschaft, aber was tut man nicht alles, um sein Reich zu schützen. Sogar sein neues Heim teilt man zum Wohle der Gesellschaft.

 

In der Eingangshalle erwartete mich schon meine altbekannte Belegschaft und  verneigte sich ehrfürchtig. Ich war erzürnt. Wie konnten sie es wagen vor mir hier einzutreten? Als Strafe würdigte ich sie keines Blickes, selbst Jean, mein eigentlich treuester Diener bekam nur meinen Rücken zu sehen – wobei sogar dies eine Ehre war.

 

Während ich zum ersten Mal die Treppen in den ersten Stock bestieg, glitten meine Finger über jedes einzelne Detail, das auf dem Geländer angebracht wurde. Die goldenen Verzierungen waren wahrlich sehenswert. Der große Kronleuchter an der Decke über dem Eingang spiegelte sich im glänzenden Stein der Treppen und diese hellen Lichtstrahlen verteilten sich in dem ganzen Raum. Beinahe blieb mir der Mund vor Staunen offen stehen, was mir noch nie zuvor passiert war.

 

Gespannt besuchte ich jeden der unzähligen Räume meines neuen Heimes. Ein Raum, der größte von allen, wartete jedoch noch auf seine Bestimmung, ich konnte noch nicht sagen, welche genaue Aufgabe ihm zugeteilt werden würde.  Er war im Grunde perfekt für einen Ballabend geeignet, doch selbst mir war bewusst, dass ein dorfgroßer Ballsaal im Hause genügte. Mir würde schon eine gute Idee in den Sinn kommen.

 

Ich betrat den großen Balkon, der aus dem auftragslosen Raum führte und atmete tief ein. Tausende von Menschen hatten seit Monaten auf diesen Moment gewartet. Auf meine Ansprache. Als ich mich zu räuspern begann flogen sie alle auf die Knie und verbeugten sich tief. Ich überlegte es mir anders und genoss zuerst die Aussicht.  Das würde ich nun jeden Tag sehen.

 

Mein Schloss.

 

Mein Versailles.

 

 

 

Die Nacht war hervorragend gewesen. Die vielen Gänse, die für meine Daunen sterben durften, hätten in ihrem jämmerlichen Leben für nichts Besseres dienen können. Die Sonne fiel in mein Gemach und glitzerte auf den Boden. Sie strahlte so hell, als würde sie mir „Guten Morgen, Louis “, sagen wollen. Nichts auf dieser Welt machte mir mehr Freude als dieser wundervoll glühende Ball am Himmel. Immer wenn er schien war ich bester Laune und ließ nicht einmal Hinrichtungen stattfinden. Die Sonne war meine treueste Begleiterin und ich musste sie mehr in mein Leben einbringen, das hatte sie verdient. Vielleicht würde ich Versailles in „Le château ensoleillé“ umbenennen, hört sich doch sehr gut an.

 

Marianne, meine ausgesprochen freundliche Dienstmagd klopfte zaghaft an die Türe, um mir mein Frühstück in den Raum zu bringen. Ich ließ sie hinein und setzte mich aufrecht ins Bett. Jedes Mal genoss ich ihre Anwesenheit aufs Neue. Sie roch nach Blumen, besser als die echten, die stanken mir immer zu sehr nach fauligem Regenwasser. Um die Zeit, die sie in meinem Zimmer verbrachte zu verlängern, gab ich ihr meine Hand zum Kuss und befahl ihr meine Bettdecke vor dem Servieren auszuschütteln. Das brave Ding gehorchte mir natürlich und als sie fertig war, verließ sie sofort das Zimmer. Sie wusste wirklich wie man zu dienen hat. Vielleicht würde ich sie eines Tages zu meiner Frau machen. Gehorsame Erben waren in der Tat in meinem Sinne.

 

Die Küche hatte heute mit dem morgendlichen Mahl nicht untertrieben. Sogar tropische Früchte, die eine Rarität in unserem Land darstellten, wurden mir aufgetischt. Natürlich war es für mich selbstverständlich, doch ab und an, wenn mir nicht serviert wurde was ich ursprünglich verlangte, durfte ich wütend den Koch foltern lassen und am nächsten Tag die beste Mahlzeit genießen. Der heutige Tag startete so perfekt, dass mir vor lauter Perfektion langweilig wurde. Das Personal hatte auch kaum etwas zu tun, ein neu erbautes Haus benötigte am ersten Tag nach der Geburt noch keine allzu große Reinigung, also beschloss ich den restlichen Schmaus auf den Boden fallen zu lassen - zum einen hatten die Dienstmädchen Beschäftigung, zum anderen bestand nicht die Möglichkeit, dass die Küchenhilfen essen durften wie der König.

 

Marianne kam bei dem Lärm natürlich sofort ins Zimmer geeilt, entschuldigte sich, als wäre es ihre Schuld gewesen und holte Sofie und Corinne zu Hilfe.

 

Ein schöner Anblick. Wahrlich amüsant.

 

Ich bekleidete mich, besser gesagt, ich ließ mich bekleiden und drehte eine Runde durch meinen Palast. Wie lange würde es dauern, bis ich jede einzelne Ecke kannte? Ich konnte es gar nicht leiden, wenn ich unbekanntes Terrain betreten musste.

 

Als ich so dahin spazierte merkte ich, dass Türen leise geschlossen wurden und wenn ich nachsah, war ich nicht imstande jemanden in den Zimmern vorzufinden – und das machte mich wütend. Die Angestellten hatten heimliche Wege gefunden, die mir nicht bekannt waren, das musste schleunigst geändert werden.

 

Ich musste mir später Jean vorknöpfen, eine passende Drohung würde mir schon einfallen. Bei dem Stichwort „Kopf ab“ gewann ich immer. Auf dem Weg zu Jean krachten viele Türen zu. Nichts und niemand durfte mir jetzt in die Quere kommen und dessen war sich jeder bewusst. Mein Zorn überschwamm in Sekunden das ganze Land. Köpfe mussten rollen und Leute gekündigt, beraubt und eingesperrt werde. Seinen König durfte man nicht hintergehen. Und wer es doch tat musste mit den Folgen leben können – oder eben auch nicht leben.

 

Meine Schleppe schwebte durch die Gänge und mein Haar wehte wild in der Luft.

 

Mein Kopf hatte die Farbe meiner purpurnen Pantoffeln und dampfte vor Wut.

 

Ich rief nach Jean, doch es antwortete niemand. Eine Frechheit! Corinne öffnete eine der Türen, verbeugte sich und fragte, ob sie mir helfen könne, doch ich würdigte sie keines Blickes. Sie steckte bestimmt mit den anderen unter einer Decke und hinterging mich ebenfalls.

 

Mein Weg führte mich unter anderem auch in den Saal, dem ich noch keine Bestimmung zugeteilt hatte. Er war so groß, dass ich eine Weile brauchte, um ihn zu durchqueren. Zuerst war mir nicht bewusst durch welchen Raum ich mich begab, erst als ich schon beinahe wieder draußen war. Ruckartig blieb ich stehen und blickte zurück.

 

Ich zögerte. Wie von alleine führten mich meine Beine auf den Balkon. Für einen, oder zwei Momente vergaß ich meine unendliche Wut. Ich sah nur eines: Die Mittagssonne, die sich königlich in dem Saal niederließ. Etwas Schöneres hatte ich noch nie zuvor erblickt. Gebannt sah ich dem Schauspiel zu. Helle gelbe, nein goldene Strahlen durchbrachen die halb offenen Glastüren des Balkons. Wie die Physik es wollte färbte sich das Licht in tausende Farben und ließ die kolorierten Schimmer auf dem hellbraunen Parkett tanzen. Kleine sternenförmige Punkte drehten sich im Tanz der Farben und glitzerten um die Wette. Mit der rechten Hand durchbrach ich den Sonnenstrahl und ließ ihn auf meinen Diamantring leuchten. Schon als Kind liebte ich die Reaktion zwischen Licht und Edelsteinen. Plötzlich spiegelte sich das Kunstwerk auf meiner gesamten Kleidung. Der Diamant an meinem Finger war in diesen Augenblicken der Mittelpunkt der Welt. Er erleuchtete so hell und wunderschön, dass er die gesamte Umgebung zum Strahlen brachte. Ich trug ein Kleid aus Licht. Der Balkon schwamm im Diamantenfeuer und bebte förmlich. Die bunten Helligkeiten auf dem Parkett drehten sich mit jedem Atemzug den ich machte und der Edelstein fügte ihnen noch eine Vielfalt an Farben hinzu.

 

Ein Regenbogen, der sich über die ganze Fläche erstreckte. Ich konnte meinen Augen nicht trauen. Der Moment war zauberhaft. Eine kleine Träne der Euphorie floss aus meinen Augen und der Ring in Kombination mit dem Licht ließ sie sofort aufblitzen. Die Träne tanzte in meinem Gesicht zu dem Licht, als wolle sie es den bunten Strahlen gleichmachen. Und ich wusste es: Der Raum sollte mir gehören.  Nur mir. Mir und all meinen Seiten. Nur ich durfte ihn betreten. Für ein tägliches Rendezvous mit der Sonne. Meine Bestimmung.  Ein Raum voller Spiegeln, für mich. Für mich und die Sonne.

 

Denn ich war der Sonnenkönig.

 

Das Problem mit dem verschwindenden Personal würde ich später fortsetzen, jetzt hatten diese Betrüger viel Arbeit vor sich. Ich setzte meine Suche nach Jean fort und fand ihn in der Küche bei den Köchinnen wieder. Er schien ängstlich – sollte er auch – und machte sich auf das Schlimmste gefasst. Mit der Aufgabe einen Spiegelsaal zu errichten hatte er wohl nicht gerechnet. Ich hörte wie er erleichtert aufatmete, meine Hand küsste und freudig zustimmte. So einfach wollte ich es ihm nicht machen und sagte, dass ich den Saal bis zum nächsten Tag haben wollte. Selbst diese, beinahe unmögliche Arbeit brachte ihn nicht aus der Fassung. Nachdem er aus der Küche rannte und all die Bewohner des Schlosses zusammenrief, beobachtete ich das Geschehen vom Balkon meines Schlafgemaches aus. Hunderte Menschen liefen kreuz und quer, verloren in der Eile Schuhe und Hüte, die sie einfach liegen ließen. Schon nach einer Stunde wurden die ersten Spiegel durch das Haus getragen! Das hätte ich mir nicht in den kühnsten Träumen erdenken können, doch ich versteckte meine gute Laune, um das Spektakel noch mehr zu beschleunigen und um mich an der Anstrengung zu amüsieren.

 

Der ganze Tumult war mir nach einer Weile jedoch zu viel und ich beschloss in die Stadt zu fahren. Schließlich musste ich mich einem Sonnenkönig gemäß kleiden. Ich reiste ohne Personal, nur der Kutscher hatte das Vergnügen. Fast die ganze Stadt beteiligte sich am Bau, deshalb würde am Markt nicht viel los sein.

 

Die Pariser Gassen gefielen mir nicht besonders. Alles hier war grau und kühl, die Menschen vegetierten auf der Straße und ließen sich von den Ratten fressen. Die Armut regierte hier, doch mich kümmerte das Volk nicht. Sie waren selbst schuld, wenn sie es nicht schafften sich am Leben zu erhalten. Um die abstoßenden Gestalten nicht sehen zu müssen, schloss ich die Vorhänge der Kutsche und betrachtete meine Ringe. Ein neuer musste her. Ich hatte erst vorgestern die Steuergelder eintreiben lassen, da müsste sich ein Saphir ausgehen. Passend dazu wäre natürlich ein mit Saphiren besticktes Festtagsgewand. Die Bauern hatten sowieso genug Geld. Ich beschloss zukünftig doppelte Steuern zu verlangen.

 

Bei dem Schneider meines Vertrauens stieg ich aus der Kutsche und eilte in den Laden, ich wollte keine städtische Seuche bekommen. Monsieur Colbert verbeugte sich vor mir und holte seine beiden Gehilfinnen. Diese fielen vor mir auf die Knie und küssten meine heiligen Hände. Angewidert zog ich sie zurück, wer weiß was für Krankheiten die Frauen austrugen. Ich erzählte Monsieur Colbert von meinen Wünschen: Ein Wams nur aus Saphiren und darüber ein goldener Mantel, gefolgt von einer seidigen Rheingrafenhose mit bestickten Saphiren an den Seiten. Der Saphir-Ring durfte natürlich keineswegs fehlen. Dieses Tenue würde das prächtigste werden, das jemals unter die Augen der Lebenden gekommen war. Frankreich, ich, der Sonnenkönig – das Vorbild der Welt. Schon jetzt nahm mich jeder als sein Idol, wie würde dies nach dem Auftritt in solch festlicher Kleidung werden? Kaum jemand kann es sich leisten, so gekleidet zu sein. Ich müsste eine hohe Adelssteuer einberufen, sodass sich keiner meine Kleidung zu kopieren versuchte. Eventuell könnte ich Saphire in Frankreich verbieten lassen. Abwarten.

 

Spät am Abend war das anstrengende Posieren zu Ende und ich konnte meine neuen Kleider mit nach Hause nehmen. Der Schneider hatte sehr schnell gearbeitet. Noch nie zuvor bekam ich meine Bestellung noch am selben Tag. Der Kutscher meinte, dass der Schneider schon von meinem Wunsch gespürt habe. Ein fleißiger Mann dieser Colbert. Meister seines Werkes.

 

Als ich wieder in der Kutsche saß, vernahm ich lautes Rufen und Pferde, die vor Anstrengung schnaubten. Unzählige Stimmen riefen:“C’est fini!“ und lachten glückselig.

 

Ich schob den Vorhang der Kutsche zu Seite und sah wie die Menge sich verbeugte. Ein junger Bursche teilte mir mit, dass der Bau meines Spiegelsaals bereits fertig war. Das war doch unmöglich! Ich hatte mit der Dauer einer Woche gerechnet, wie konnte es sein, dass heute alles so schnell passierte? Nun konnte ich Jean unter keinen Umständen bestrafen – die Übrigen auch nicht. Ich vermittelte dem Kutscher, dass ich vor dem Schloss aussteigen wollte und durch den Park zurückgehen würde, ich brauchte Bedenkzeit.  Leider traf ich auf dem Weg den alten Michel-Richard, der mich bis zum Schloss begleitete. Er berichtete mir, dass beinahe tausend Menschen den Saal fertiggestellt hatten, aus Angst, dass ihnen etwas zustoßen würde, da ich vor drei Jahren fünf Männer in den Kerker sperren ließ, weil sie meine Hecken erst nach einem Monat fertig geschnitten hatten.

 

Recht so.

 

Da es bereits nachts war konnte ich den Saal nur in dem Licht der Kronleuchter betrachten. Der Anblick war auch so wunderschön. Wunderschön mich selbst in den vielen Spiegeln sehen zu können. Meine Eltern hatten wahrlich gutes Werk verrichtet. 

 

Der Saal war mein Schatz. Mein ein und alles. Ich musste ihm eine ehrenhafte Präsentation schenken und ließ Marianne, Sofie und Corinne noch am selben Abend Einladungen für den Spiegel-Ball gestalten. Jean, Bernard und ihre Gefolgschaft verteilten die ganze Nacht über die Einladungen an die besten Häuser Nord-Frankreichs. In einer Woche würde der Ball stattfinden. Am helllichten Tag, damit jeder sehen konnte, dass die Sonne und ich Eins waren. Die Saphire würden mich zum Funkeln bringen und jeder würde wissen: Louis ist unser Sonnenkönig.

 

Die ganze Woche bis zum Ball wurde gearbeitet und vorbereitet. Ich erteilte so viele Befehle, dass ich einen Tag im Bett verbringen musste, da meine Stimme nachgegeben hatte. Trotz der Vorfreude auf den Ball musste ich etliche Hinrichtungen vollziehen, die Menschen wollten einfach nicht vernünftig werden. Es musste ihnen doch bewusst gewesen sein, dass es Konsequenzen geben würde, wenn sie die Tischdekoration falsch produzierten und sich beim Händekuss nicht vorher gewaschen hatten. Ich musste auch einige Hofdamen von meinem Anwesen verbannen, da sie versuchten meine Festtagskleidung zu finden, um sich ähnlich kleiden zu können.

 

Niemandem war es gestattet sich zu kleiden wie der König. Der Sonnenkönig.

 

Jeden Tag, gegen Mittag, stellte ich mich in die Mitte meines Spiegelsaals und betrachtete mich von jeder Seite. Wenn man die Balkontüren in einem gewissen Winkel öffnete, schmiegten sich die Sonnenstrahlen um mich und wärmten meinen Körper, der vor Freude oftmals zitterte. Der goldene Deckenschmuck fing das Licht in seinen Ecken auf und, als wäre ich ein Magnet, schickten sie die Strahlen in die Mitte des Raumes – zu mir. Ich genoss die hellen Farben und riss meine Augen weit auf, um mich in erleuchteter Form im Spiegel betrachten zu können. Es war einfach ein Traum. Kurz schloss ich sie, um den Moment zu genießen, die Wärme einzuatmen, doch die stümperhafte Corinne unterbrach diesen Augenblick. Sie wollte Auskunft über Jean, doch ich hörte ihr nicht zu. Was erlaubte sie sich mich zu stören? Ich ging auf sie zu und schlug ihr ins Gesicht. So würde sie wenigstens verstehen, dass sie mich gestört hatte. Sie zuckte zusammen und weinte. Ich rief zwei Soldaten und ließ sie auf der Stelle hinrichten. So jemanden konnte ich nicht gebrauchen.

 

Der Tag des Balls war angebrochen und die ersten Gäste betraten den Spiegelsaal von Versailles. Ich wartete, bereits in meinen prachtvollen Gewändern gekleidet, vor meinem kleinen Zimmer-Spiegel.

 

Als die Musik zu spielen begann klopfte es leicht an meiner Türe. Michel-Richard öffnete die Türe und starrte mich sprachlos an. Ich lächelte und präsentierte mich. „Wie die Sonne seht Ihr aus Eure Majestät“, sagte er außer Atem und verbeugte sich tief. Genüsslich nickte ich ihm zu und freute mich auf die Bewunderung der anderen. Sie würden vor Neid erblassen.

 

Mit Michel-Richard im Schlepptau stolzierte ich erhobenen Hauptes auf den Spiegelsaal zu. Jeder, der mich sah öffnete Mund und Augen und verbeugte sich tief. Das war gut so. Sie sollten alle sehen, was für einen wundervollen König sie hatten.

 

Ich betrat den Saal.

 

 

 

Es war totenstill, niemand bewegte sich. Sie alle sahen mich voller Ehrfurcht und Respekt an, doch etwas störte mich. Ich sah mich nicht. Es waren zu viele Menschen in dem Saal. Ich konnte mich selbst nicht betrachten. So gestikulierte ich und zeigte den Menschen, dass sie sich in die Ecken drängen sollte. Während ich auf die Balkontüren zuging, vermied ich es in den Spiegel zu blicken, ich wollte, dass alles perfekt war. Schon als die ersten Sonnenstrahlen auf mich fielen merkte ich, dass die Saphire auf meiner Brust bebten.

 

Ich öffnete die Türen, blickte zu Boden und stellte mich in die Mitte. Lautes Staunen ging im Raum umher und ich sah mich an.

 

Auf meiner Brust war ein goldener, glühender Ball, der funkelte und glitzerte, als wäre er die Sonne höchstpersönlich. Von allen Ecken und Seiten kamen glühende, zauberhafte Helligkeiten auf mich zu. Ich schien zu schweben und selbst meine Augen loderten empor. Eine Engelsstatue in der Ecke war so stark beleuchtet, dass die Augen schmerzten, wenn man sie ansah. Die Menge rief nicht mehr „Louis!“, sondern „Unser Sonnenkönig“ und ich spürte das Blut mir kochen. Ich war ein Gott, denn nur Götter erstrahlten auf solche Weise.  An all meinen zehn Fingern leuchteten die Juwelen und Diamanten. Jetzt waren sie an der Reihe mit mir zu explodieren. Ich hob meine Hände in die Luft, schloss die Augen und rief laut: „Ich bin euer Gott, kniet vor mir nieder!“ Als ich niemanden niederknien hörte öffnete ich die Augen und starrte in mein Spiegelbild.

 

Alles war weiß.

 

Das hellste Weiß, das ich jemals erblickt hatte. Es war heiß und giftig. Die Sonne und die Reflektion meiner selbst waren kein helles, schönes Licht mehr.

 

Alles war grell.

 

Meine Augen brannten, mein Körper zitterte und mein Kopf zerbrach.

 

Ich sah mein Spiegelbild und all die Anwesenden nicht mehr, ich konnte meine Arme nicht senken und meine Augen nicht schließen.

 

Alles war grell.

 

Mein Körper war regungslos, alles was ich sah war grelles, böses Licht. Die Sonne erhitzte mich, nun war ich der glühende Ball.

 

Alles war grell.

 

Minutenlang stand ich felsenfest in der Mitte des Spiegelsaals meines Schlosses Versailles, bis ich zusammensackte und mich verlor.

 

Ich schrie und tobte – doch alles blieb grell.

 

Es wurde greller und greller, bis ich nicht nur grell sah, sondern auch grell spürte und grell hörte.

 

Ich verlor meinen Verstand. Das Licht fraß mich auf und das Letzte was ich sah war

 

GRELL.

 

 

 

Auf den Bildern sieht man links das Schloss Versailles und rechts den berühmten Spiegelsaal.

Sie entstanden bei meiner Paris-Reise im Sommer 2017. (Der Text wurde jedoch schon im Mai verfasst).

Lückenbüßer (04.04.17)

Beschreibung:

Da bis voraussichtlich Juni eine sehr stressige Zeit bevorsteht und seit Längerem keine Texte gekommen sind: Zwei kleine Einfälle, die als Blogfutter fungieren.


 

SPIEGEL

Ich schau‘ in den Spiegel – seh‘ mich nicht.

 

Ich red‘ in den Spiegel – hör‘ mich nicht.

 

Ich berühr‘ den Spiegel – fühl‘ nichts.

 

Ich beschnupper‘ den Spiegel – riech‘ nichts.

 

Ich kost‘ den Spiegel – schmeck nichts.

 

Ich lauf‘ gegen den Spiegel – spür nichts.

 

Ich schau‘ in den Spiegel – Arzt.

 

WENN

 

Wenn Uhren sprechen können,

 

Hunde tanzen können,

 

Flugzeuge reiten können,

 

Karotten lachen können,

 

Zahnärzte nett sein können,  

 

Lehrer fair sein können,

 

Einhörner existieren können,

 

Und Bananen gerade sein können,

 

- dann stimmt mit dir was nicht.

 


Social Media Fairy Tale Teil 3        Der Ball (04.02.17)

Beschreibung:

Fortsetzung vom 19.11.2016 und 12.01.2017

Ein Märchen im kindlich geschriebenen Stil mit Protagonisten aus der Welt der sozialen Netzwerke und des Internets.


.. Fortsetzung (unbedingt die beiden ersten Teile zuerst lesen!!)

 

Whatsi schaffte es rechtzeitig ihre Schwester aufzufangen und schrie laut nach den Eltern und Buzzfeed. Die Zeit schien in Zeitlupe zu vergehen. Whatsi und Snaps weinten und redeten auf Insta ein, doch diese bewegte sich keinen Millimeter. Ihre Lippen waren gräulich und staubtrocken, die Hände eiskalt und violett. Buzzfeed, die immer ein Hausmittel gegen diverse Krankheiten parat hatte, rannte mit einem großen Korb aus dem Kräuterbeet und kniete sich zitternd vor den beinahe leblosen Körper. Sie ummantelte Insta mit Gewürzen und Kräutern, murmelte ein Gebet nach dem anderen und winselte dabei bitterlich. Die Mutter kam mit heißem Wasser angelaufen und der Vater versuchte in der Zwischenzeit alle zu beruhigen, doch nichts schien zu helfen. Doch plötzlich entkam Insta ein kleiner, leiser Pfeifton. Einen Moment lang waren alle still, man konnte sogar die Wolken vorbeiziehen hören, bis ein Zwitschern die Stille unterbrach. Es war Twitter, der blaue Vogel-Freund von Google Maps, dem treuen Diener des Königs Google. Er ließ sich auf Instas Schulter nieder und biss ihr zaghaft in die Wunde. Der Körper zuckte vor Schmerz, doch wie von Geisterhand war die Wunde verheilt und Insta schlug ihre Augen auf. Man hörte wie fünf Menschen laut aufatmeten und sich erleichtert umarmten. Insta strich dem Vogel über sein Gefieder, bevor er wieder in die Ferne flog. Instas Vater trug sie in die Küche, wo Buzzfeed für die ganze Familie und Snaps einen leckeren Eintopf zu kochen begann. Die Geschehnisse der letzten Stunden wollten für kurze Zeit verdrängt werden und niemand verlor ein Wort darüber. Insta wurde wie eine Schwerkranke behandelt, ließ es sich jedoch gefallen, denn es mangelte ihr an Kräften.

 

„Insta, ich weiß du hast sehr viel durchgemacht und möglicherweise hast du keine Lust, aber heute wäre der Ball in Apps und ich würde so gerne mit dir da hin“, flüsterte die beste Freundin. Sie zuckte mit den Schultern und fügte hinzu: “Ich will nicht egoistisch klingen, ich glaube einfach, dass es dir auch helfen könnte über die Sache hinwegzukommen.“ Mit einem sarkastischen Lächeln sagte Insta geschwächt: „Du meinst also, dass ich nach einem Horrortrip am besten den Leuten begegne, die ihn zu verantworten haben?“ Nun mischte sich auch die Mutter ein. „Schatz, eine Mutter sollte dir jetzt sagen, dass du da auf keinen Fall hingehen solltest aber weißt du was? Rache ist süß!“ Sie tätschelte Instas Schulter und zog ein schlichtes rosarotes Kleid hervor. „Da dein Kleid ja gestohlen wurde, kannst du meines anziehen. Es ist bei Weitem nicht so schön, aber nackt zu gehen wäre wohl zu riskant.“ Sie lächelte und zog ihrer Tochter das Kleid über. Diese lächelte und flüsterte:“ Na gut.“ Snaps und Whatsi kreischten und sprangen durch das Haus.

 

Gegen acht Uhr abends stiegen die drei Mädchen in die bescheidene Kutsche des Vaters und machten sich auf den Weg zum Schloss Apps, wo König Google seine Gäste schon erwartete. Vor dem pompösen Anwesen, mit unzähligen kristallenen Springbrunnen und leuchtenden roten Rosen, die den Weg zeigten, kam die Kutsche zum Stehen und die Mädchen stiegen mit klopfenden Herzen aus. „Viel Spaß“, rief der Vater und kehrte mit der Kutsche wieder um. Insta, Whatsi und Snaps gaben sich die Hände und gingen die gewaltigen Treppen zum Schlosstor hinauf. Zwei festlich gekleidete Soldaten öffneten die goldenen Pforten und ein warmer Lufthauch, mit einer rosigen Note, kam ihnen entgegen. Google Maps strahlte, als er Insta sah und sagte:“ Ich wusste, wir würden uns wiedersehen! Twitter berichtete mir bereits von der Gräueltat, ich hoffe Ihr seid wohlauf!“ Er verbeugte sich vor Insta und küsste ihre Hand. „Der Ballsaal befindet sich hinter der zweiten Türe rechts, nachdem sie die steilen Treppen hier drüben gemeistert haben.“ Sie bedankte sich und bemerkte, dass ihre Schwester und Snaps schon vorgegangen waren. Sie glitt langsam die besagten Treppen hinunter und mit jedem Schritt schmiegte sich das Kleid der Mutter an ihren Körper. Ein bunter Schimmer am Ende des Saals ließ sie zusammenzucken, Pinterest war hier. Und sie sprach mit Prinz Facebook, mit welchem sie sich heute verloben würde. Daneben stolzierte Gräfin Microsoft mit Tinder, der vier Damen im Schlepptau hatte, umher.  In dem Türrahmen, der zum Ballsaal führte, warteten Snaps und Whatsi ungeduldig.  

 

Insta hatte furchtbare Angst, sie zitterte am ganzen Körper. Eine Träne kullerte über ihre warmen Wangen und sie stolperte über eine Stiege. Pinterest lachte hämisch und zeigte auf sie, doch etwas Seltsames passierte. Insta wurde von einer Hitzewelle gepackt und glühte beinahe, ebenso erging es Pinterest. Sie wurden in die Luft gewirbelt und eine tiefe Stimme umhüllte den gesamten Saal: “ Handle niemals unüberlegt und füge Schmerzen nicht den Unschuldigen zu!“ Pinterest begann zu brüllen und böse zu fluchen:“ Meine Haare! Was soll diese Frechheit! Ich lasse den König verklagen.“ Mit einem Ruck war es ruhig und die beiden Mädchen standen wie angewurzelt nebeneinander. Doch die Situation hatte sich verändert. Instagram strahlte und glitzerte in dem Kleid, das sie bei Madame Shpock und Madame Ebay ergattert hatte, ihre Haare wellten sich an ihrem Körper hinab und alle Anwesenden starrten sie an. Sie beleuchtete den ganzen Raum, ihr Kleid spiegelte sich in den Augen der anderen wider und ein Staunen ging umher. Pinterest hingegen war in einem schwarzen Sack gekleidet, der mehr als unvorteilhaft um ihre Taille hing. Sie knurrte und wollte sich über Insta her machen, doch Prinz Facebook stupste sie an und rief: “Wachen!“ Vier bewaffnete Männer deportierten Pinterest und ihre Familie in den Schlossgarten. Insta verfolgte das Geschehen ohne ein Wort zu sagen, bis der König wütend zu seinen Gästen stoß. Er wurde von Google Maps, dessen Vogel Twitter die Geschehnisse berichtete, und Mister Amazon, der durch seine Diebstahlversicherung für den wundersamen Wandel gesorgt hatte, verständigt und verkündete:“ Gräfin Microsoft, Ihr seid des Königreiches verwiesen – mitsamt Euren beiden Kindern! Die Straftaten an Miss Instagram sind nicht duldsam und verweigert Ihr die Strafe, muss mit dem Galgen gedroht werden!“ Beifall ertönte und Snaps und Whatsi stürmten auf Insta zu. Der König versprach Insta eine Aufwertung des heimischen Hofes und der Ballabend konnte weitergeführt werden. Insta zog in dem Kleid alle Blicke auf sich und selbst der Prinz stand plötzlich vor ihr und sagte:“ Darf ich um diesen Tanz bitten?“ Er nahm ihre zitternde Hand und geleitete sie auf die Tanzfläche. „Ich bin um Eure Sicherheit bemüht, Miss Instagram, aufgrund Eurer schrecklichen Erlebnisse wegen des Balles stehe ich tief in Eurer Schuld!“ Den ganzen Abend über tanzte Instagram mit Prinz Facebook und vergaß die schlimmen Momente, die sie erleben musste. Sie wirbelten über die Tanzfläche und erzählten sich voneinander. Snaps und Whatsi schmunzelten glücklich, als sie Insta endlich wieder lachen sahen und verbrachten den Abend als Beobachter.

 

Prinz Facebook war sehr angetan von seiner Tanzpartnerin und spielte mit einem besonderen Gedanken, bis Insta fragte:“ Werdet ihr Euren Beziehungsstatus nun trotz alledem ändern und Pinterest zur Frau nehmen?“ Er lächelte sie an und sagte leise:“ Niemals, nie war dies mein Wunsch! Und somit möchte ich fragen, liebste Instagram: Wollt Ihr meine Frau werden?“ Er kniete sich nieder, holte einen funkelnden Ring aus seinem Jackett und lächelte das schönste Mädchen des Königreichs Apps an. Sie schluchzte und antwortete: „Ja, natürlich!“

 

Tosender Applaus der Ballbesucher, allen voran Snapchat, Whatsapp, Google Maps, Madame Shpock und Madame Ebay.  

 

Social Media Fairy Tale Teil 2 (12.01.17)

Beschreibung:

Fortsetzung vom 19.11.2016

Ein Märchen im kindlich geschriebenen Stil mit Protagonisten aus der Welt der sozialen Netzwerke und des Internets.

 


 

... Fortsetzung (Unbedingt den ersten Teil des Social Media Fairy Tales vom 19.11.2016 zuerst lesen!)

 

Dickes, dunkelrotes Blut quoll aus Instas Hals und floss auf ihr Dekolleté, wo es sich sammelte und in alle Richtungen über den Körper strömte.

 

Sie schrie auf, versuchte sich aus der lebensgefährlichen Umarmung zu winden, doch Tinder hielt sie mit voller Gewalt fest und bohrte die Klinge immer weiter in ihren Hals. „Was zum Teufel willst du damit bezwecken, hm? Bist du so jämmerlich und einsam, dass du deiner intriganten Schwester wie ein Diener an der Seite stehst? Hast du kein eigenes Leben? Du Marionette“, flüsterte Insta und presste ihre Augen zusammen, um vor Schmerz nicht weinen zu müssen. Sie durfte jetzt auf keinen Fall Schwäche zeigen, das spornte solche Psychopathen erst recht an.

 

Der Druck an ihrem Hals wurde schwächer, doch nach nur einem winzigen Augenblick verstärkte er sich mehr als je zuvor. „Ich habe nichts mehr zu verlieren“, zischte er verbittert.

 

Der kleine Augenblick reichte Insta jedoch und sie hatte es geschafft sich umzudrehen und Tinder nun ins Gesicht zu blicken. Die Qualen unterdrückend lächelte sie ihn an und schlug ihm mit voller Wucht auf den Adams Apfel. Leider rutschte die Hand, in der Tinder die Waffe hielt am Hals entlang an dem Mädchen herab und verletzte sie somit noch mehr. So schnell sie konnte rannte sie in den Hof ihrer Eltern und verbarrikadierte das Haupttor.

 

Tinder folgte ihr nicht einmal, denn er hatte seine Aufgabe erledigt: Er war in Besitz des Kleides und musste sie nicht mal völlig ausschalten.

 

Insta riss ein Stück ihrer Kleidung ab und band es sich um den Hals. Selbst ihr Kleid war blutüberströmt und der tiefe Schnitt am Hals, der sich wie eine Laufmasche in einer Seidenstrumpfhose zog, kläffte und war entzündet, Tinders Waffe war wohl verrostet gewesen.  

 

Im Haus war es totenstill, jeder schien schon zu schlafen und Insta taumelte aufgrund ihres hohen Blutverlusts ins Badezimmer. Sie nahm ein heißes Bad und zuckte bei jedem Wassertropfen, der in ihre Wunde kam, zusammen. Nach einer Weile war das ganze Wasser rot gefärbt, aber das Blut hörte auf aus dem Hals zu fließen. Mit einem Halstuch umgebunden sperrte Insta die Türe zum Badezimmer auf und erstarrte. Vier große Schatten waren an der Wand entlang zu sehen, als sie sich umdrehte zuckte sie vor Schreck zusammen. „Na, und wer ist es?“, fragte ihr Vater böse. „Wer ist wer?“, stammelte Insta. Mit einer Hand verdeckte sie den Schnitt, der unter dem Halstuch hervorglitt, mit der anderen die Beule, die sie im Spiegel noch entdeckt hat. „Dein neuer Freund! Du verdeckst ja sogar deinen Hals.“ Auf diese Ansage bekam sie keinen Ton heraus. „Ach Vater, neuerdings gibt es Vampire in der Stadt!“, scherzte Whatsi, um ihrer Schwester aus dieser schrecklichen Situation zu helfen. Wütend stampfte der Vater auf sie zu und riss ihr das Halstuch herunter. Seine Augen weiteten sich und er schrie auf. Ebenso die Mutter, die Haushaltshilfe Buzzfeed und Whatsapp.

 

„Was zum Teufel ist denn hier passiert?“

 

Weinend fiel Insta in die Arme ihrer Familie und erzählte die grausame Geschichte. Sie setzten sich an den Tisch, Buzzfeed brachte allen einen Tee und es wurde über eine mögliche Lösung diskutiert. „Schatz, gegen diese Microsoft Familie kann man nichts tun. Auch die Gräfin hat mir in deinem Alter das Leben schwer gemacht, zwar nicht so schlimm, aber auch lebensverändernd. Tinder und Pinterest sind absolut zu weit gegangen und sollten dafür büßen! Wir müssen dem König eine Nachricht zukommen lassen!“, sprach die Mutter und schüttelte den Kopf. Whatsi streichelte ihre Schwester und sagte: „Dann bekommst du das Kleid, das ich ursprünglich anziehen wollte und ich verzichte einfach auf diesen Ball.“ Insta stand auf und rief:“Whatsi, ich geh bestimmt nicht auf diesen Ball! Tinder und Pinterest sind dort!“

 

Ohne zu widersprechen brachte Whatsi Insta ins Bett und kuschelte sich zu ihr. Insta war so erschöpft und verschlief den folgenden Tag gänzlich. Dies nutzte Whatsi aus und besuchte Snapchat. Sie erzählte ihr, was Insta passiert war und die beiden machten sich mit einer brillanten Idee auf in die Stadt. Die beiden schmiedeten Strategien und heckten die kreativsten Rachepläne aus.

 

Plötzlich hatte Snaps einen noch viel genialeren Plan und ging voller Adrenalin so schnell, dass sie beinahe schwebte. Jeder der die beiden sah, sah sie nur für einen Augenblick, da sie mit Lichtgeschwindigkeit rasen zu schienen. In der Stadt angekommen, steuerten sie auf den Laden von Madame Shpock und Madame Ebay zu, doch bevor die beiden eintreten konnten, mussten sie mit ansehen, wie Pinterest mit Instas Kleid durch den Raum stolzierte und dabei Lebensweisheiten wie „Seine Stärke war die Schwäche der anderen“ oder „Starke Menschen wissen immer, was sie interessiert und lassen sich von nichts und niemandem von ihrer Leidenschaft abbringen“ von sich gab.

 

„Dieses Miststück“, fluchte Snaps und riss die Türe auf. „Oh, ein Geist“, lachte Pinterest hämisch und wedelte triumphierend mit dem Kleid an ihrem Körper. Snaps und Whatsi sahen die beiden Frauen an, die mit einem gemischten Gesichtsausdruck ihre Blicke erwiderten. Snaps wusste Bescheid, lachte auf und verließ den Laden, Whatsi zog sie mit sich. „Verzweiflung, aber doch Triumph und Rache, hast du das gesehen?“, fragte Snaps. Whatsi wusste nicht ganz, was ihre Freundin meinte und erkundigte sich: „Was hast du gesagt? Das habe ich nicht ganz verstanden.“, doch Snaps tanzte über den Marktplatz und sprang in die Luft.

 

„He, was ist los?“ Whatsi verstand nichts mehr, sie hatten ihren Plan doch noch gar nicht ausgeführt! „Während wir auf dem Weg hier her waren, hatte ich einen anderen Einfall, meine Liebe. Eigentlich war es kein Einfall, sondern eine Tatsache! Du kennst doch das Geheimnis von Madame Shpock und Madame Ebay!“ Snaps ließ sich auf den Boden fallen und klatschte mit den Händen auf den Boden, als wolle sie einen Trommelwirbel veranstalten. Whatsi hatte noch immer keine Ahnung und blickte verdutzt drein. „Na, Madame Shpocks Mann: Mister Amazon! Der hat mit jedem Kunden eine geheime Diebstahlsversicherung abgeschlossen! Ich weiß nicht genau wie das funktioniert, es heißt jedenfalls, dass die beiden so ein bisschen Magie draufhaben und Dieben eines auswischen. Außerdem war es äußerst unklug von Pinterest, sich das Kleid in diesem Laden angleichen zu lassen, die beiden netten Damen wissen doch, dass Insta gestern da war und das gute Stück ist immerhin ein Unikat!“ Whatsi stürzte sich auf Snaps und jubelte. „Und was wird jetzt passieren?“, fragte sie plötzlich. Snaps schüttelte den Kopf und zuckte mit den Schultern. „Wir werden das wohl abwarten müssen. Insta wird aber auf jeden Fall irgendwie mit uns auf den Ball kommen!“ Die beiden Mädchen freuten sich und liefen schnell nach Hause, um Insta die freudigen Nachrichten überbringen zu können. Als Insta ihre Schwester und ihre beste Freundin empfing, war für gute Nachrichten jedoch keine Zeit, denn ihr Gesicht war kreidebleich und die Wunde am Hals glänzte in gefährlichem, metallischen Rot. Ihre Stimme war sehr rau und schwach als sie sagte: „Was geschieht mit mir?“ Eine schwarze Kruste ummantelte die Verletzung und sah unheimlich gefährlich aus.

 

Ohne eine Antwort von ihren liebsten Menschen zu bekommen, flog sie in Ohnmacht.

 

Fortsetzung "Der Ball" folgt ..

 

Spannender Trip (11.12.16)

Beschreibung:

Gegenwärtiges Erlebnis in der Ich-Perspektive


 

Die Vorweihnachtszeit hat begonnen und alle Menschen sind in Feierlaune, so auch mein bester Freund, denn er lädt die halbe Stadt, mich eingeschlossen, zu der allbekannten, legendären Adventfeier in seiner prachtvollen Villa ein.  

Das ganze Jahr über freuen sich die Leute auf dieses Ereignis, denn hier wird jährlich Geschichte geschrieben und keiner geht ohne ein besonderes Erlebnis nach Hause.

Mein Freund hat in den vergangenen Jahren Bemerkenswertes geleistet und ist so reich, dass ihn jeder gerne zum Freund haben möchte. 

Ich bin, im Gegensatz zu ihm, ein einfacher Kellner, der bei jedem Cent-Trinkgeld in die Lüfte springt und dessen Leben so grau wie die Novemberluft ist.

Ich überdenke alle Einkäufe doppelt und dreifach, mache nichts Gewagtes und mein Tagesablauf ist seit fünf Jahren derselbe.

Die letzten Jahre bin ich auf dieser Party jedes Mal in der Pferdescheune eingeschlafen und erst wieder aufgewacht, als die letzten Gäste gegen Mittag des nächsten Tages verschwunden waren.

Ich mag es nicht mit fremden Leuten zu feiern und bin gerne in kleinen Gesellschaften, mit Menschen die ich kenne.

Allgemein kann man sagen, dass ich ein Einzelgänger bin und außer dem reichen Gastgeber, den ich aus dem Kindergarten kenne, kaum Freunde habe.

 

Um acht Uhr klingle ich bei meinem besten Freund, doch nicht er, sondern seine Haushaltshilfe öffnet mir die Türe. Sie nimmt mir die Jacke ab und ich quetsche mich an unglaublich vielen Menschen vorbei, um meinen Freund zu finden.

Ich kann ihn jedoch in keinem der vielen Räume und Stockwerke finden und so setze ich mich (wie immer alleine) auf ein Sofa.

In dem Stockwerk unter mir findet die Tanzparty statt, in dem Stockwerk ober mir befindet sich die „Gangsterecke“ und in meinem Aufenthaltsraum ist außer mir nur der Schäferhund Moritz, der mir bei den unzähligen meiner Besuche ein guter Freund geworden ist.

Ich beginne mich zu langeweilen, greife nach einem Buch, doch lege es sofort wieder weg.

Müde schleiche ich durch die Küche, mein Freund hat natürlich drei davon, während ich zu Hause nur eine Halbe besitze.

Da ich Kellner bin kenne ich einige gute Getränkemischungen, aber Alkohol mag ich nicht besonders gerne, also habe ich damit kaum Erfahrung.

Mir ist ein bisschen kalt, draußen fällt Schnee und deshalb versuche ich mir einen Tee zu machen. Leider finde ich nur diverse Säfte und beginne Apfelsaft und Orangensaft in einem Topf aufzuwärmen. Mir kommt der Gedanke, einen guten alten Punsch zu mischen und füge weitere Zutaten wie Zimt und Orangen hinzu.

Außer Teebeutel kann man in dieser Küche alles finden. 

Nachdenklich blicke ich auf die teure Alkoholsammlung meines Freundes und inspiziere die bunten und kunstvoll gebauten Flaschen

Ich habe für Mengen leider kein Gefühl und schütte von jeder Flasche ein wenig hinzu und lasse alles noch einmal aufkochen, bis es nach Karamell, Apfel und Orangen riecht.

Die Mischung schütte ich in ein Glas und während ich Moritz am Hals kraule nippe ich an meinem Meisterwerk. Ich schenke immer mehr nach und finde Gefallen an der scharfen Wärme die meinen Körper hinab fließt.

 

Plötzlich können meine Füße nicht mehr ruhig halten und ich springe auf. Ich möchte zu der Musik, die aus dem unteren Stock dröhnt tanzen, doch ein großer Schatten hinter mir hält mich auf. Ich drehe mich um und sehe eines der Pferde, welche die Familie meines Freundes besitzt.

Wie ist es denn in das Haus gelangt?

Ohne weiter darüber nachzudenken, streichle ich es und traue mich sogar das Pferd zu besteigen.  Langsam trabt es voran und galoppiert sogar die Stufen zu der Party hinunter. Ich sehe kaum Menschen und nutze die Gelegenheit, um von dem Pferd abzuspringen.

Mein Körper scheint förmlich zu kleben, weil mir von dem spontanen Ritt ganz heiß geworden ist und deshalb finde ich die gläserne Badewanne mitten im Raum recht passend.

Ich ziehe mich aus, die anderen Menschen beachten mich nicht, und steige in das Bad.

Es fühlt sich sehr kühl an, prickelt aber angenehm auf der Haut.

Ein angenehmer Pfirsichduft steigt mir in die Nase und ich resümiere, dass sich in dem Bad wohl ein frühlingshaftes Pfirsicharoma verbreitet.

Entspannt lehne ich mich zurück und genieße die dröhnende Musik, vor lauter Elan singe ich sogar leise mit – eigentlich singe ich nie!

Als meine Haut anfängt zu schrumpeln, steige ich aus dem Pfirsichwasser und trockne mich mit einem flauschigen Handtuch, das am Boden liegt, ab.

So einen tollen Tag hatte ich noch nie.

An der Bar finde ich passendes Gewand, streife es mir über und stelle fest, dass ich unheimlichen Hunger habe.

Am Boden sehe ich eine Schüssel voll mit Schokoladenpralinen und ohne nachzudenken nehme ich die Schüssel und leere den gesamten Inhalt.

Die Pralinen waren etwas zu hart und salzig für meinen Geschmack, aber die Reichen mögen es ja extravagant.

Mit der Zeit wird es stickig in der Villa, die Menschen versammeln sich wieder in dem Stockwerk und ich fühle mich beobachtet und eingeengt.

Schnell flüchte ich mich vor die Türe und erblicke ein wunderschönes, riesengroßes Bett mit rotem, grünem und braunem Muster.

Natürlich bin ich sehr müde, nach meinen tollen Erlebnissen und kuschle mich sofort in die gemütliche Pracht.

Etwas derart Weiches habe ich noch nie gefühlt und der Schlaf überkommt mich sofort.

 

„Wach sofort auf!“, schreit irgendjemand und ich muss meinen göttlichen Schlaf unterbrechen.

Die Sonne scheint mir ins Gesicht, aber ich liege nicht mehr in dem wunderbaren Bett, sondern in einem Gemüsebeet, im Garten der Villa.

„Was ist passiert?“, frage ich und erblicke meinen Freund.

Er scheint sehr böse zu sein, doch ich kann unter dem steinernen Gesichtsausdruck ein verstecktes Lächeln erkennen.

Siehe da – er beginnt auf einmal aus vollem Halse zu lachen und muss sich auf einen Gartenstuhl setzen, um nicht umzufallen.

„Mein Freund, du bist eine Legende!“

Verdutzt sehe ich ihn an und verstehe nicht, was er damit andeuten möchte.

Ich bin wohl der letzte Mensch auf Erden, der den Titel „Legende“ tragen darf.

„Du bist mit Moritz die Stiegen hinunter geritten, hast nackt in Pfirsichbowle gebadet, dabei gesungen und ein Frauenkleid getragen. Danach hast du dich mit einem Teppich getrocknet und Hundefutter gegessen. Chapeau, was dir einfällt!“

Ich kann nicht ganz fassen, was mein Freund gerade erzählt, das muss er sich ausgedacht haben, um mich zu verwirren.

„Zuerst habe ich nicht verstanden, wie ausgerechnet du so etwas machen kannst, doch dann habe ich meine leeren Flaschen an der Bar gesehen und verstanden was los ist.“

 

„Oh, der Punsch.“ Das war es also.

 

Social Media Fairy Tale Teil 1 (19.11.16)

Beschreibung:

Ein Märchen im kindlich geschriebenen Stil mit Protagonisten aus der Welt der sozialen Netzwerke.


 

Es war einmal, vor hunderten von Jahren, ein bezauberndes Mädchen, welches mit seinen Eltern und fünf Geschwistern in einem kleinen schmuddeligen Bauernhaus nahe des Königreichs Apps in bescheidenen Verhältnissen lebte.

Der Name des besagten Mädchens war Instagram, doch von ihren Mitmenschen wurde sie Insta genannt.

Ihre Familie bedeutete Insta alles, sie half am Hof ihres Vaters, griff der Mutter im Haushalt unter die Arme und achtete auf ihre kleineren Geschwister.

Weit und breit gab es kein anderes Mädchen, das so hilfsbereit war und trotzdem eine so fröhliche und lebendige Ausstrahlung hatte.

Die einzige Sorge der Eltern war, dass ihre älteste Tochter wohl nie den passenden Mann fürs Leben finden würde, weil sie keine Möglichkeiten hatte andere Leute kennenzulernen, da sie nur selten  den Hof verließ.

Außer ihrer Familie und ihrer besten Freundin Snapchat hatte Insta niemanden, den sie wirklich gut kannte. Zwar wurde sie, aufgrund ihrer Verlässlichkeit und Hilfsbereitschaft, vom ganzen Dorf geliebt, doch richtige Freunde waren das nicht.

 

Als Insta und ihre kleine Schwester Whatsapp eines Tages im Garten die Karotten und Kartoffeln ausgruben, um einen Eintopf vorzubereiten, kam Snapchat durch das Eingangstor gelaufen und rief:“ Insta, Whatsi, ihr müsst das hier lesen!“ Währenddessen schwang sie einen besiegelten Brief, der wohl sehr wichtig gewesen sein musste in der Luft.

Die beiden Schwestern hörten auf zu graben und putzten sich die Erde von den Kleidern. Verdutzt blickten sie die aufgeregte Snapchat an und Insta fragte:“ Snaps, was ist das?“

Snaps war außer Puste und ließ sich auf der Wiese nieder. 

„Das hier ist vom Königshaus, meine Lieben! Alle Mädchen über 14 sind zu einem Ball im Schloss eingeladen! Der König gibt einen Ball, weil der Prinz in die Gesellschaft eingeführt werden muss und das soll gleichzeitig eine Verlobungsfeier zwischen Prinz Facebook und Pinterest, der Tochter der Gräfin von Microsoft sein!“

„Prinz Facebook soll Pinterest heiraten? Das kann unmöglich stimmen, sie ist der Teufel in Person!“ Whatsi schlug sich auf die Stirn, um ihr Entsetzen auszudrücken.

Pinterest war bekannt für ihre Arroganz und Intrigen, mit denen sie schon mehreren Menschen das Leben zur Hölle gemacht hatte.

Auch Instas und Whatsis Familie hatte sie um den Großteil ihres Vermögens gebracht und selbst in die Taschen gesteckt.

„Snaps, es tut mir leid, aber da gehe ich bestimmt nicht hin! Ich muss meinen Eltern helfen, den Pferdestall auszumisten und außerdem kann ich mir kein Ballkleid leisten“, sagte Insta und widmete sich wieder ihrer Arbeit.

Snapchat hielt sie an der Schulter fest und rief:“ Sicher nicht, du kommst mit und da gibt es keine Widerrede!“ Sie drehte sich am Absatz um, zwinkerte Whatsi zu und tänzelte vergnügt wieder nach Hause.

Insta seufzte und putze eine Karotte mit ihrer Schürze ab.

„Insta, hör auf damit. Ich mache das und du gehst in die Stadt und suchst nach einem Kleid. Ein paar Münzen wird Vater dir geben und ich wasche einfach Mutters Hochzeitskleid und färbe es ein.“

Whatsi sah ihre große Schwester tadelnd an und machte eine verscheuchende Handbewegung.

Insta stand auf und gab nach:“ Wenn ich aber kein Kleid für einen guten Preis finde, bleibe ich zu Hause. Außerdem muss ich vorher noch mit Mutter reden.“

"Du gehst da hin!“, rief eine Stimme aus dem Küchenfenster. Ihre Mutter warf ein paar Münzen aus dem Fenster und Insta machte sich schweren Herzens auf den Weg.

Im Dorf angekommen schlenderte sie von Geschäft zu Geschäft, doch kein einziges Kleid war auch nur annähernd im Budget. Im Laden von zwei bezaubernden alten Damen probierte sie das schönste Kleid, das sie bis dato gesehen hatte. Der Stoff schmiegte sich an ihren Körper, der Reifrock saß perfekt und die schillernden Farben betonten Augen, Haar und Hautfarbe. Das Korsett, bestickt mit feinen Mustern, passte wie angegossen und selbst die Schneiderin musste sich zurückhalten, um nicht zu weinen. „Mein liebes Mädchen, du siehst aus wie eine Prinzessin!“

Insta konnte nicht aufhören sich im Spiegel zu betrachten, doch sie wurde schnell wieder traurig, denn nie im Leben würde sie sich dieses Kleid leisten können.

Sie zog das gute Stück wieder aus und eine kleine Träne kullerte über ihre rote Wange.

Die Verkäuferin und die Schneiderin sahen sich an und nickten sich zu.

Während Insta sich verabschiedete und aus dem Raum gehen wollte riefen sie im Chor:“ Halt!“

Insta drehte sich um und sah wie die beiden das Kleid hochhoben.

„Meine Liebe, dieses Kleid ist wie für dich gemacht. Keine andere wird es jemals so tragen können wie du, also gib uns das Geld, das dir zur Verfügung steht und es gehört dir!“

„Wirklich?“, Insta konnte es kaum fassen. Diese Frauen mussten ihre guten Feen sein.

Zu diesem Preis bekam sie sogar noch passende Schuhe und eine Tasche mitsamt einem Fächer dazu.

Madame Shpock und Madame Ebay gaben ihr auch Tipps für das perfekte Haarkunstwerk und als Insta mit all ihren neuen Habseligkeiten das Geschäft verließ sagte Madame Shpock leise:“ Das wird unsere neue Prinzessin.“

Insta konnte ihr Glück kaum fassen, wie war es möglich, an einem Tag so viel Glück zu haben?

Das Glück verflog jedoch sofort wieder, denn in der Auslage des gegenüberliegenden Geschäfts, sah sie Pinterest. Sie probierte ein sündhaft teures, mit Diamanten bestecktes Ballkleid.

Leider stand es ihr unheimlich gut, doch allein ihr hochnäsiger Blick ließ sie weniger hübsch wirken.

 

Am Weg nach Hause machte Insta einen Abstecher zu ihrer besten Freundin Snapchat, die sie erfreut begrüßte.

„Na Sonnenschein, alles klar bei dir? Ich muss dir eine Story erzählen!“ Voller Adrenalin zog sie Insta in ihr Zimmer und zeigte ihr ein zitronengelbes Kleid, mit aufwendigen Rüschen. „Das gehörte mal meiner Großmutter und ich habe es ein bisschen modernisiert!“

Erst jetzt bemerkte sie Instas große Tasche und fragte:“ Was hast du denn da?“

Insta lächelte und zeigte ihrer Freundin was sie erstanden hatte. Snapchats Mund weitete sich und sie flüsterte: “Wo hast du das denn her? Das ist unglaublich!“ Auch sie hatte selten ein so schönes Stück gesehen.

Die beiden malten sich aus, wie wohl der Ballabend verlaufen würde und spät abends ging Insta nach Hause.

Als sie ihr Haus schon fast erreicht hatte, hörte sie plötzlich lautes Pferde-Wiehern und Hufe, die die Erde zittern ließen. Sie versteckte sich hinter einem Baum und lauschte.

Zwei Personen schienen von ihren Pferden abzusteigen und eine zischte gehässig:“ Da wohnt sie. Versuch sie aufzuspüren und es ihr zu stehlen!“

Diese Stimmte gehörte zweifelsohne Pinterest. „Und warum genau soll ich das tun?“, das war wohl ihr Bruder Tinder. Er war stadtbekannt dafür, dass er Mädchen fast stündlich das Herz brach.

„Na, weil sie meine einzige Konkurrentin ist und angeblich das tolle Kleid von Madame Shpock ergattert hat! Ich möchte am Ball unter keinen Umständen Probleme bekommen!“

Insta hatte verstanden. Sie musste etwas tun, um nicht in die Hände der beiden zu geraten und presste die Tasche mit ihrem Balloutfit fest an sich. Die Geschwister schienen sich zu entfernen und Insta lief zu den Pferden der beiden. Hastig sprang sie auf das von Pinterest, befestigte die Tasche und ritt in die entgegengesetzte Richtung.

Es war dunkel und Insta konnte nichts sehen. Das Pferd hörte nach einiger Zeit auf zu galoppieren und Insta sprang ab. Das Pferd raste davon und sie stand völlig alleine mit einer viel zu großen Tasche mitten im düsteren Wald.
Sie hatte keine Ahnung wo sie sich befand und welchen Weg sie nehmen sollte, also setzte sie sich auf einen Baumstamm und wartete. Doch es war sehr kalt und schon bald begann sie zu weinen.

Stunden vergingen und weit und breit war keine Hilfe zu sehen.

„Was soll ich bloß tun, wenn Tinder und Pinterest jetzt kommen?“, flüsterte sie einem kleinen Vogel zu, der sich neben sie setzte. Obwohl es mitten in der Nacht war zwitscherte er fröhlich und flog auf Instas Schulter. Er sang ihr ein Lied vor und schaffte es, das arme Mädchen zu beruhigen.

„Danke du lieber Vogel“, sagte sie und lächelte.

Plötzlich raschelte es im Gebüsch und ein Räuspern ertönte. Das Licht einer Fackel leuchtete Insta ins Gesicht und sie konnte sich kaum bewegen. War das etwa Pinterest?

"Google Maps, stets zu Euren Diensten. Ihr habt Euch verlaufen nehme ich an, wie kann ich weiter helfen?“ Ein alter Mann, taumelte auf Insta zu und zog seinen Hut vor ihr.

„Mein Vogel Twitter dürfte Euch gefunden haben, er hat mich herbei gesungen“, säuselte er und küsste Instas Hand.

Er zeigte ihr die verschiedenen Wege und begleitete sie aus den Tiefen des Waldes.

„Ihr müsst großen Hunger haben, nach so vielen furchtbaren Stunden. Ich schicke Twitter zu meinem Freund Apple, um Euch zu versorgen. Der Weg zu Eurer Heimat ist lang!“

Schon nach wenigen Minuten kam der Vogel mit einem Apfel im Mund zurück und übergab ihn Insta.

"Vielen Dank Herr Google Maps! Ist es ein Zufall, dass Euer Name dem des Königs ähnelt?“

Feierlich verbeugte Google Maps sich und sagte:“ Ich, Google Maps, bin der treue Diener des Herrschers von Apps, König Google. Ihr seid ein kluges Köpfen!“

Er begleitete Insta auf dem weiten Weg, bis zum Hof ihrer Eltern.

Die beiden waren sehr vertieft in ihr Gespräch, sodass Insta die finsteren Schatten nicht bemerkte.

Google Maps verabschiedete sich mit einem weiteren Kuss auf Instas Handrücken und sagte:“ Auf Wiedersehen, es war mir eine Ehre. Auf dass wir uns am Ballabend wiedersehen!“

Insta umarmte ihren Retter in der Not und ging sorglos durch das Tor.

Google Maps war schon in der Dunkelheit verschwunden, als plötzlich eine eiskalte Klinge an Instas Hals strich und ihre Haut zerschnitt.

 

Tinder.

 

 

 

Fortsetzung folgt ..

 

 

 

 

 

Norbsi und Vandi am Badesee (8.11.16)

Beschreibung:

Eine indirekte Satire, in kindlicher, sarkastischer Stimme zu lesen. :)


 

An einem herrlichen Sommertag packt der junge Vandi seine Badesachen zusammen, um sich mit seinem neuen Freund Norbsi am Badesee zu treffen.

Die beiden haben sich auf einer Schulsprechersitzung kennengelernt und da sie in der Nähe voneinander wohnen, haben sie beschlossen, etwas zusammen zu unternehmen.

Somit schwingt er sich auf sein Rad, um der Umwelt etwas Gutes zu tun und strampelt fleißig zum See.

In der Zwischenzeit düst Norbsi mit seinem Moped die Seestraße entlang, um ja keinen schlechten Eindruck hinterlassen zu müssen, denn er sieht in Vandi einen potentiellen Freund.

„Noooooooorbsi!“, ruft Vandi, als er ihn von seinem Moped steigen sieht. Er winkt ihm glücklich zu, doch er muss auch den Kopf schütteln, denn so ein Gefährt ist ihm außerordentlich unsympathisch.

Die zwei Jungs verüben einen brüderlichen Händedruck und machen sich auf zu den Umkleidekabinen.

Norbsi hat sich für eine blaue Badehose mit der deutschen Flagge aus seinem letzten Berlin-Urlaub entschieden, Vandi kleidet sich in Grasgrün.

Die beiden suchen sich ein sonniges Plätzchen, wo sie ihre Badetücher ablegen können.

Norbsi hat einen kleinen Hintergedanken, denn er findet die kleine Marine, eine französische Austauschschülerin ziemlich süß und erblickt sie unter einem schattenspendenden Baum.

„Du Vandi, können wir uns unter den Baum setzen? Ich bekomm so leicht einen Sonnenbrand!“

Vandi nickt und wird nervös, denn seine geliebte Evi sitzt Marine direkt gegenüber.

Schüchtern hebt er die Hand und winkt ihr zu.                                                    

Daraufhin ruft sie seinen Namen, springt auf und fällt ihm in die Arme.

Vandi weiß nicht was er tun soll und umarmt das liebe Mädchen, während Norbsi seine Französischkünste auspackt und versucht Marine zu beeindrucken. „J’aime beaucoup tes yeux!“

Marine lächelt und er küsst ihre Hand, woraufhin ihr blasses Gesicht rot anläuft und sie zu kichern beginnt.

Dann springt Norbsi auf und geht mit Vandi zur Eisdiele, um sich das neueste Cornetto zu kaufen. An der Theke sieht er seinen besten Freund, Strachi, der ihm mit seinen tollen weißen Zähnen zulächelt. Vor kurzem hat er nämlich seine Zahnspange entfernt bekommen und alle beneiden ihn um sein Mundwerk.

Vandi bleibt kurz stehen und atmet tief ein. Er mag Strachi nicht, denn er ist der Böse aus der Schule, der die Mädchen immer beleidigt und die Lehrer herausfordert und provoziert.

Norbsi und Strachi heben die rechte Hand zum Gruß und umarmen sich.

Strachi funkelt den armen Vandi über Norbsi‘s Schulter an und schneidet eine Grimasse.

Vandi geht zurück zu seinem Platz, er hat keine Lust auf diesen Macho, doch er zittert am ganzen Leib vor Wut.

Ein älterer Junge, der sein Handtuch neben Vandi’s plaziert hat, bietet ihm eine Zigarette zur Beruhigung an. Vandi nimmt dieses Angebot dankend an und sieht Strachi von der Ferne zu, wie dieser drei Bier bestellt. „Wenn Norbsi den Typen mag, wird aus unserer Freundschaft nichts“, denkt er sich und macht sich auf zu seiner Evi, die am See Enten füttert. Die beiden spielen mit den Fischen und beginnen nach einer Zeit auch das Plastik aus dem See zu entfernen, da sie beide im Umweltkomitee der Schule sind.

Vandi muss ab und zu zu Strachi und Norbsi schauen, da ihr Gelächter sehr laut und aggressiv ist und ein ungutes Gefühl in ihm ausbreitet.

Plötzlich springt Strachi auf und läuft in Windeseile zu Vandi: „ Mein Lieber, du und Norbsi ihr könntet gegeneinander schwimmen, einen Wettkampf veranstalten! Dann sehen wir auch, wer der bessere Schulsprecher ist.“

„Nein, das mache ich nicht. Was hat körperliches Können mit der kognitiven Kompetenz eines Menschen zu tun?“, erwidert Vandi.

„Hast du denn Angst, dass die Leute dich auslachen, wenn sie sehen wie langsam du bist?

Wir machen das nur für uns! Wir können auch einen Handtuchzaun bauen, damit niemand zu uns stoßen kann!“, sagt Norbsi in seiner lieblichen Stimme, doch seine Augen funkeln, wie die von Strachi und das heißt bekanntlich nichts Gutes.

Ängstlich schaut Vandi zu Evi, sie nickt unterstützend und flüstert:“ Die machst du platt!“

Norbsi und Vandi steigen mutig ins Wasser.

Evi steht zappelig am Ziel und Strachi felsenfest am Start.

Die Strecke ist recht lang und Vandi holt tief Luft, er hätte vorher nicht rauchen sollen.

Norbsi drückt ihm die Hand und wünscht ihm viel Glück, wieder mit diesem heimtückischen Funkeln in den Augen.

Strachi hat noch ein paar nette Worte für Vandi vorbereitet:“ Jetzt wirst du so fertiggemacht wie Brasilien 2014 bei der WM von den guten Deutschen!“

Norbsi schmunzelt und hüpft aufgeregt auf und ab.

Leise spricht er sich Mut zu und murmelt: “So wahr mir Gott helfe.“

Strachi zählt bis drei und das Wettschwimmen kann beginnen.

„Vandi, Vandi“, ruft Evi.

„Norbsi du bist der Meister!“, schreit Strachi.

Norbsi spürt schon nach den ersten Metern einen Stich im Bauch, das Bier ist wohl keine gute Idee gewesen.

Die beiden sind gleichauf, fast die halbe Strecke schwimmen sie auf derselben Wellenlänge, doch dann zieht Norbsi leicht nach vorne.

Nur noch ein paar Strampler bis Evi “Ziiiiiiieeeeeeel“ rufen wird.

Vandi nimmt all seine Kraft zusammen und schafft es in der letzten Sekunde Norbsi zu überholen.

Evi schreit auf und jubelt.

Strachi schaut böse drein und noch bevor die beiden Konkurrenten auftauchen schreit er so laut, dass alle Besucher des Badesees das Geschehende mitbekommen können: „So läuft das nicht Vandi, das ist nicht mit rechten Dingen zugegangen! WIEDERHOLUNG!“

 

 

 

Angst (14.10.16)

Beschreibung:

Kurzgeschichte über Angst mit kleiner Pointe


 

Schweren Herzens betrat Felix das Zimmer.

Er war schon sehr lange nicht mehr da gewesen, das Eintreten bedrückte ihn noch immer.

Jeder Schritt fiel ihm schwer, sein Herz raste und seine Gedanken tobten.

Große, warme Tränen kullerten sein liebevolles Gesicht herab, als er die eiserne Türklinke berührte und an die Vergangenheit dachte.

Viele grausame Erinnerungen plagten ihn und er wusste, dass er alles Revue passieren lassen müsse, sobald er diesen Raum betreten hatte.

Er schmeckte die salzigen Tränen und wischte sie sich mit seinem bereits nassen Ärmel ab, er war doch kein Kind mehr.

Ein leichter Sonnenstrahl leuchtete durch das Schlüsselloch und mit angehaltenem Atem drückte er die Klinke hinunter. 

Es knarrte.

Sein ganzer kleiner Körper zitterte vor Angst und sofort begannen Felix‘ Gedanken wie wild zu toben. All die schrecklichen Momente schossen vorbei, all die Verluste, Niederlagen und Blamagen drückten ihn wortwörtlich zu Boden.

Der arme Junge hielt sich die Augen zu und weinte seine Seele aus dem Leib. Nichts war je zuvor so erniedrigend gewesen wie die letzten 365 Tage.

Er weinte und weinte und konnte nicht mehr aufhören.

Dieser Raum war das Böse, zu viel Schmerz war in den Wänden, zu viel Verzweiflung auf dem Boden.

Die negative Ausstrahlung ließ einen erschaudern.

Felix versuchte sich aufzurappeln und bemerkte, dass seine Hosenbeine voll Staub waren und auch Blut, das wohl schon etwas länger auf dem Boden klebte, konnte er sehen.

Langsam drehte er sich im Kreis und musterte jeden Millimeter mit großem Respekt und noch größerer Angst.

Spinnweben, Staub, abgebröckelte Wand und alte Krümel machten den Raum noch viel unheimlicher, als er ohnehin schon war.

Felix‘ Augen blieben bei dem überwältigenden Bücherregal, das in der Ecke neben einem alten Sessel befestigt war stehen und wie von Zauberhand bewegte er sich darauf zu.

Er musterte jedes einzelne der Bücher und es waren Unzählige!

Fast eine Stunde betrachtete er das Regal und nach jedem gesehenen Buch, kam eine erbarmungslose Erinnerung zum Vorschein.

Jedes Mal zuckte er zusammen und konnte sich kaum auf den Beinen halten.

Beim Lesen eines bestimmten Buchtitels waren die Gedanken so schlimm, dass er sich dazu entschloss, es hinauszunehmen und genauer anzusehen.

Eine dicke Staubschicht zierte den Einband und bedeckte die einzelnen Seiten, sodass sie einen gräulichen Schimmer vorzeigten.

Das Herz des Jungen pochte so laut, dass man die Wände vibrieren hörte und kleine Schweißperlen bildeten sich an seiner Stirn.

 

 

Er wusste plötzlich genau was das für ein Buch war.

Das Buch, mit dem sein Leben beinahe aufgehört hätte, das Buch des Todes.

 

 

Es schien wie verhext, denn als er es öffnen wollte schnitt er mit dem scharfen Papier seine Finger und dunkelrotes Blut tropfte auf die erste Seite.

Das Blut rannte in Strömen und Felix schrie laut auf.

Er ließ es fallen und rannte aus dem Zimmer, hätte er es bloß nicht betreten!

Weinend stürmte er die Treppen hinab und hinterließ eine gefährliche Blutspur.

Im Wohnzimmer starrte ihn seine Mutter mit großen, entsetzten Augen an und sagte:“ Felix, wieso musst du jedes Mal so ein Drama aufführen, wenn du nach dem Sommer lernen sollst?“

 

Wünsche (9.10.16)

Beschreibung:

Geschichte über heimliche Wünsche und (mehr oder weniger hervorsehbarer) Pointe


 

Die Herbstsonne strich mir über das Gesicht, als ich meine in Zeitungspapier eingewickelten Maronis bei einer Tasse Kaffee genoss.

Das Gefühl, mit eingefrorenen Händen die harte Schale zu öffnen war unbeschreiblich.

Meine beiden Freundinnen neben mir fluchten, weil sie die hartnäckigen Spezialitäten nicht knacken konnten.

Das zauberte mir ein Lächeln ins Gesicht, ich liebte es Zeit mit ihnen zu verbringen.

Der Wind zerzauste unsere Haare und wir mussten unseren Mund ständig von den fliegenden Haarsträhnen befreien.

Später an diesem Tag spazierten wir die Schlossallee entlang und erzählten uns die lustigsten Geschichten von alten Zeiten.

Der Weg war mit bezaubernden Blättern verziert, die in bunten Farben nur so leuchteten.

Wir fühlten uns dank dieser atemberaubenden Atmosphäre wie in einem Film.

Vor dem Schloss angekommen wurden die Fotoapparate gezückt und die schönsten Bilder gemacht – sowohl von der Natur, als auch von uns.

„Wie schön es doch wäre, wenn wir von dieser Treppe in barocken Ballkleidern stolzieren könnten“, träumte meine Freundin vor sich hin.

Wir beiden anderen nickten zustimmend und stellten uns in pompösen Kleidern, mit Fächern in der Hand und aufwendigen Frisuren vor.

Plötzlich ertönte eine vertraute, sehr ruhige Musik.

Wir sahen uns verstört an, denn weit und breit war niemand zu sehen und so gingen wir zu einem naheliegenden Pavillon in dem prachtvollen Schlossgarten.

Die Musik wurde lauter und wir erblickten einen alten Mann mit strahlend weißem Haar, der uns den Rücken zugekehrt hatte.

Er wippte im Takt und als wir näher kamen merkten wir, dass er derjenige war, der für die Musik verantwortlich sein musste.

Mit voller Euphorie spielte er sein Lied  und als wir uns zu ihm setzen wollten, atmete meine Freundin laut ein.

„Das ist kein alter Mann, das ist, das ist..“, stotterte sie und viel auf die Bank hinter dem Musiker.

Ich musterte ihn und als ich sein Gesicht sah wurde mir furchtbar übel.

Das konnte auf keinen Fall möglich sein, hier musste doch ein Fest oder etwas dergleichen stattfinden.

Der Mann bemerkte uns nicht und nach einigen Augenblicken flüsterten wir drei gleichzeitig: “Mozart“.

Prompt hörte der Mann, den wir für steinalt geglaubt hatten auf und drehte sich um.

„Meine Damen, ich hörte meinen Namen, dürfte ich fragen weshalb Sie sich diesem bewusst sind?“

„Na, Sie sind doch ein berühmter Komponist?“

Der junge Mozart, mit seiner filmreifen Perücke, lief rot an und erwiderte beschämt:“ Meine Teuerste, wie darf ich das verstehen? Ich so jung und schon ein Komponist des Hofes? Dies mag eine wundervolle Vorstellung sein, doch entspricht es nicht dem Wahren! Wenn ich es erlauben dürfte zu fragen: Ist dies Getragene ein neuartiges Modell der hohen Gesellschaft? Noch nie haben meine Augen eine solche Schönheit erblickt und eine holde Dame in Hosen, welch Fortschritt der Schneider!“

„Also das ist von Primark“, rutschte es mir raus und gleich bemerkte ich, dass ich den Armen jetzt völlig aus der Fassung gebracht haben musste. Insofern das hier kein Scherz war, doch es fühlte sich erschreckend real an.

„Sag lieber Mozart, welches Jahr schreiben wir denn?“, meine Freundin war da etwas kultivierter.

„1770 Liebste.“

Wir sahen uns an.

Das konnte doch unmöglich stimmen.

Nach peinlichem Gestotter liefen wir drei in den Schlossgarten, um alleine zu sein und schauten nach, ob uns der Ticketshop weiterhelfen konnte.

Fehlanzeige, kein Ticketshop.

Eine Frau in einem gewaltigen Tüllkleid kam die Schlossstiegen hinunter geflogen und schüttelte den Kopf. Sie winkte uns zu ihr und ehe wir etwas dagegen tun konnten steckten wir in den schönsten und feierlichsten Kleidern, die wir je gesehen hatten.

Wir fühlten uns wie Prinzessinnen, als wir drei mit unseren Korsetten und Ringreifen, verziert mit glänzendem, seidigen Stoff die Treppen herabglitten.

Moment, hatten wir uns nicht genau das vor ein paar Stunden gleich vorgestellt?

Vor dem Schloss warteten Kutschen, mit waschechten Lipizzanern.

Ein Buttler und drei sehr edel gekleidete Männer standen davor und wollten uns in die Kutsche geleiten, doch ein sehr schriller Ton unterbrach diesen romantischen Moment.

Also Mozart war das mit Sicherheit nicht.

Es wurde immer unerträglicher, die Männer stürzten sich zu Boden und versanken darin!

Alles vibrierte und wirkte verschwommen, auch meine Freundinnen wurden von dem Nichts verschlungen.

Das Geräusch wurde noch lauter und lauter, bis die neue Welt völlig verschwunden war, ich in meinem Bett aufwachte und bemerkte:

 

Montag.

 

 

 

Perspektiven (6.10.16)

Beschreibung:

Monolog mit kleinem Rätsel


 

Oh, da scheint ja Licht!

Da muss ich unbedingt hin - die Dunkelheit ist echt mega langweilig.

Der Weg scheint aber endlos zu sein, wenigstens bin ich gut ausgeschlafen.

Ich komme dem Haus, in dem das Licht so prachtvoll vor sich hin strahlt, näher.

Ja perfekt die Türe ist offen, ich muss also nicht warten!

Die Temperaturen in dem Raum sind sehr angenehm und ich fühle mich gleich viel besser.

Ich lasse mich auf einer gut beleuchteten Sitzmöglichkeit nieder.

Hier ist es wirklich unheimlich schön, aber irgendwie hab ich Hunger.

Ich seh mich mal um, ob ich einen meiner Freunde finde, die wissen bestimmt wo man etwas Gutes zum Essen bekommt.

Oder meinen Bruder, der weiß immer wo die Party abgeht.

Als Neuling in einer Stadt hat man es nun echt nicht leicht.

Die anderen Räume in diesem Haus sind alle stockfinster, nirgendwo kann ich einen Bekannten finden.

Na gut, dann such ich die Küche eben selbst.

Ah, von da drüben kommt ein echt guter Geruch!

Das muss die Küche sein!

Ich zische durch die Türe, die ist ja Gott sei Dank nur angelehnt.

Der Duft ist schon ziemlich angenehm, von wo kommt er?

Das riecht sehr stark nach A!

Oder ist es doch B? Das wäre super, das ist mit Abstand mein Lieblingsessen!

Ich bereite mir schnell mein Essen zu und setze mich, mit knurrendem Magen hin.

Mmm das duftet köstlich, ich schlürfe die Mahlzeit, wie es sich gehört, doch leider wird nach nur einem Schluck mein sinnlicher Moment gestört.

Na hör mal, beim Essen stört man nicht!

Ich springe auf, die Lage sieht gefährlich aus, was da genau auf mich zukommt kann ich nicht sagen..

Es ist auf jeden Fall groß.

Eigentlich will ich einfach nur meinen Hunger stillen, lass mich doch!

He das Irgendwas kommt ja auf mich zu, oh, ist das nicht mein Essen?

Es wird hell. Ja auch schön, ich mag das.

Leider blendet die Sonne mich, seit wann scheint sie bitte so stark?

Ein Lufthauch.

Wieso ist es jetzt windig?

Ich bin in einem Haus, das ist doch nicht möglich.

Ein Schatten.

 

 

"Schatz, kannst du die nervige Gelse nicht endlich entfernen. Das Gesumme geht mir auf den Zeiger!"

 

 

(Auflösung & Klärung von Unverständlichkeiten per Email!)